Algorithmus und Vertrauen

Menschenhände auf einer Scheibe mit Zahlen und Formeln. Die Zahlen und Formeln stellen eine Computermatrix dar.
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In den letzten Tagen ist mir mal sehr bewusst geworden, wie sehr ich meinem Loop-Algorithmus eigentlich vertraue. Oft bemerkt oder vermisst man Dinge ja erst, wenn sie nicht mehr da sind. Aber mal von Anfang an…

Loopen setzt ja voraus, dass ich der App, die meinen Loop steuert, vertrauen kann. Soweit nichts Neues. Nun habe ich aber mal eine andere Version installiert, um diese zu testen. Davon abgesehen, dass diese Version ein wenig komplexer ist, und ich erst einmal einiges lesen und verstehen musste, muss man natürlich ein wenig Geduld mitbringen, um alle Settings richtig anzupassen. Das ist für mich ja schon eine Herausforderung 🤣🤣🤣.

Ich mich also bemüht, alle Settings einzurichten und so anzupassen, dass der Loop erst einmal gut laufen kann. Das hat anfangs auch gut funktioniert. Dann aber, wurde es sehr holprig. Ein auf und ab der Blutzuckerwerte mit entsprechend nötigen Snacks, die zum Verhindern von Hypos nötig waren. Im Alltag sind diese Phasen echt anstrengend. Dann immer mal wieder einen Blick auf die Settings, die man dann versucht in die eine oder andere Richtung anzupassen und zu optimieren. Ich war immer unsicher, ob die aktuellen Einstellungen so richtig waren oder nicht (mit Sicherheit waren sie noch nicht gut genug ausgetestet und der Feinschliff war noch nicht erfolgt!).

Blutzuckerkurve mit vielen auf und abs
Blutzucker-Achterbahn

Um die Geschichte abzukürzen – ich habe die Version wieder deinstalliert und bin zu meiner altbewährten Version zurückgekehrt. Aber auch hier habe ich dann 2 Tage gebraucht, um aus den Auf- und Abs wieder heraus in ein ruhigeres Fahrwasser zu kommen.

Meine Erklärung im Nachhinein ist, dass nicht der neue Algorithmus für die Schwankungen verantwortlich war, sondern die Hormonschwankungen im Körper zu dieser Zeit.

Was mir nun aber zu denken gegeben hat, ist die Tatsache, dass ich dieser neuen Version nicht vertrauen konnte, weil ich keine Erfahrung mit ihr hatte. Ich konnte nie sicher sagen, ob es an einem meiner Settings lag, dass die Blutzuckerkurve so instabil war, oder ob es doch andere Gründe hatte. Das Gefühl einer großen Unsicherheit und eines Kotrollverlustes war am Ende so stark, dass ich zu meiner alten Version zurück musste. Wirklich eine etwas erschreckende Erkenntnis in diesem Moment! Es braucht Zeit und Anpassung und gegenseitiges „Kennenlernen“, um den Loop-Algorithmus optimal zu nutzen.

Ich sehe den Loop und den dahinter stehenden Algorithmus am Ende als einen Partner, dem ich mich ein Stück weit anvertrauen möchte. Ich möchte mich auf ihn verlassen, und darauf bauen, dass er mich sicher durch den Alltag manövriert – besonders dann, wenn ich keine Zeit habe, mich darum aktiv zu kümmern.

Gehirn im blauen Kreis mit bunten Sprenkeln auf einer Seite und Zahlen und Formeln auf der anderen Hirnhälfte
Gehirn und Maschine Quelle: pixabay von mir bearbeitet! https://cdn.pixabay.com/photo/2017/09/14/21/08/brain-2750415_1280.png

Mein Tipp daher an alle, die anfangen zu loopen, oder neue Versionen ausprobieren, oder neue Techniken nutzen – seien es Sensoren oder kommerzielle Loopsysteme- nehmt euch Zeit und Muße, um die Technik und die Systeme kennenzulernen, alle Settings und Einstellungsmöglichkeiten auszuprobieren und euch anzufreunden mit dem, was die Technik kann. Denn je besser man sich kennt, desto besser kann man zusammenarbeiten! Das gilt wohl auch für die Zusammenarbeit von Mensch und Algorithmus!

4 thoughts on “Algorithmus und Vertrauen

  1. Juhu Caro, schön geschrieben. 👍 Carsten hat mich auch daran erinnert, wie wichtig es ist, dem Algorithmus zu vertrauen.
    In uns laufen viele Stoffwechselprozesse, die natürlich durch unser Gehirn gesteuert werden. Wenn ich also anfangs nicht vertrauen kann, geht unser Körper erst einmal in einen Schutz- und Abwehrmechanismus. Auch ich musste anfangs vor allem dem CGM-Sensor vertrauen lernen.
    Dass es wie bei der Beziehung Patient und behandelnden Ärzt*innen auch nur erfolgreich wird, wenn gegenseitiges Vertrauen vorliegt, ist es auch bei dem Algorithmus und mir so. Deswegen sitzen wir ja anfangs immer mit dem Smartphone in der Hand, um zu gucken, was passiert.
    Daher ist es manchmal auch gut, den Kopf wirklich mal auszuschalten und den Menschen, die diese Algorithmen entwickeln, zu vertrauen.
    Natürlich müssen wir verstehen, was geschieht, daher auch wichtig, die Einstellungsschrauben zu kennen. Jedoch stelle ich auch fest, dass der Algorithmus im dynamischen Zuckermanagement immer besser ist als ich.
    Daher ein riesen Glück, dass all diese Software als OpenSource vorliegt und wir die freie Wahl haben, die App zu installieren, der wir vertrauen können.
    Mit dem wachsenden Vertrauen werden wir dann schlussendlich zu einem guten Team🌈🌈🌈🌈

  2. Caro, da hast du ein sehr interessantes Thema eröffnet. Ich kann mich erinnern, welche Gedanken ich mir machte, als ich mit dem Loopen anfing. Ich hatte eine Liste von Aktionen erstellt, wie ich bei Problemen schnell und sicher zur ICT mit Pumpe zurückkehren könnte. Alle diese „Rückschritte“ hätten nur wenige Minuten gedauert und deshalb war das Risiko sehr gering.

    Nach einigen Monaten wollte ich dann besser verstehen, was der Algorithmus anstellt. Dazu wollte ich ihn in EXCEL nachbauen, habe das aber schnell wieder aufgeben. Statt dessen habe ich mir Python beigebracht und den originalen Code aus Javascript nach Python portiert. So konnte ich auf dem PC mit dem Loop und seinen Einstellungen herumspielen und Dinge ausprobieren. Beim Portieren musste ich mir jede der mehr als 1000 Codezeilen ansehen und weiß deshalb immer, wo ich bei seltsamem Verhalten des Loops nachsehen kann. So manchem rätselnden User konnte ich schon Tipps geben, warum sein Loop wie reagierte. Das war eine große, vertrauensbildende Aktion. Das Ergebnis dieser Portierung ist übrigens der AAPS Emulator, den sich jeder von meinem Github (https://github.com/ga-zelle) herunterladen kann, der auch Mal ohne Risiko mit seinen Einstellungen experimentieren will.

    Das Thema Vertrauen hat noch eine andere Seite, nämlich die aus der Sicht des Entwicklers. Mit der Zeit hatte ich den Algorithmus für mich ergänzt und diese Erweiterungen (autoISF) schließlich auch anderen Usern angeboten. Es war ein großer Schritt den Algorithmus vor der Freigabe nochmals gründlich zu prüfen. Wie kann ich ihn möglichst absichern? Was, wenn ein User ihn anders nutzt als gedacht? Ist auch die Dokumentation korrekt, vollständig, verständlich? Das war und ist für mich genauso aufregend wie damals mein Einstieg in den Loop.

    1. Hallo Ga-zelle
      Danke für deinen Kommentar. Ich fasse gerade nochmal Vertrauen in deine Version!😊 Dank der inzwischen guten Anleitung fällt es etwas leichter. Man will eben verstehen, was da warum passiert, um auch im Alltag schnell Anpassungen vornehmen zu können. Usability ist ein sehr, sehr wichtiges Thema. Deine Version ist ziemlich gut. Ich bin noch am Anfang, verfolge eure Entwicklung aber ja schon länger… da ich nicht coden kann, wie die meisten User, ist man auf einfache Settings und Parameter angewiesen .Sonst nimmt das System das, was der Loop eigentlich bringen soll…Erleichterung, Entspannung, und weniger User-Eingriffe.

    2. Hallo ga-zelle,
      erstmal vielen Dank für die wirklich großartige Arbeit.
      Das Tool ist aber nur was für Experten und selbst ich als Webentwickler und Programmierer brauchte viel Zeit, um mich da reinzufuchsen. Ich frage mich, ob man nicht ein einfaches Web-Tool bauen könnte, wo man z.B. das Logfile hochladen kann und anschließend mit einem schönen GUI mit den Einstellungen experimentieren kann.
      Ich bin ja schon froh, dass es sowas wie Autotune gibt, wo ich regelmäßig checke, ob die Basalrate angepasst werden muss. Web-Autotune greift ja direkt auf die Daten aus Nighscout zu, das macht es schön einfach.
      Wäre das nich auch für den AAPS Emulator möglich? Das wäre ein Hammer.

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