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Sag mal… geht es dir auch manchmal so?

Ich lebe so mein Leben, fahre zur Arbeit, komme nach Hause, arbeite auch hier noch ein wenig, treffe mich mit Freunden etc pp… was man eben so alles macht – Alltag eben. So weit so gut. Nun lĂ€uft aber ja in meinem Leben seit kanpp 40 Jahren auch noch dieser kleine Begleiter mit… er nimmt sich den frechen Namen Typ1 heraus! Als wĂ€re er was besonderes! đPfff..
Manchmal ist er ganz still und friedlich. Bleibt in seiner Range und stört soweit auch nicht. Man könnte ihn in diesen Momenten fast vergessen. Aber so weit lĂ€sst er es natĂŒrlich niemals kommen. Denn spĂ€testens, wenn man etwas Essen möchte, oder Sport treiben möchte oder sonst irgendetwas auĂerhalb der Routine passiert, meldet sich dieser Typ1 lautstakt zu Wort.
Es piept oder pfeift… đ¶đ”đȘdas CGM schlĂ€gt Alarm, die Pumpe brummt. Nun sei es drum… hier muss man natĂŒrlich reagieren. Man muss also das unterbrechen, was man gerade tut und sich um sich selbst kĂŒmmern. Ist der Blutzucker zu hoch, heiĂt es Insulin pumpen und /oder bewegen. Ist der Blutzucker zu niedrig, heiĂt es Kohlehydrate zufĂŒhren… und zwar nicht irgendwas Leckeres, wo man vielleicht gerade Appetit drauf hĂ€tte…neeee!!! Schnelle Kohlenhydrate mĂŒssen her.. also am besten so richtig furchtbarer Traubenzucker oder sĂŒĂe GetrĂ€nke…. buÀÀÀh!

Was hat das nun mit Schauspiel đ zu tun? Eigentlich nichts, wenn es denn so laufen wĂŒrde, wie oben beschrieben. Man mĂŒsste sich nur stĂ€ndig erklĂ€ren, warum man gerade GummibĂ€rchen in sich hinein stopft, obwohl man doch gerade was Leckeres gegessen hatte… oder warum man nun schon wieder auf das Handy oder die Smartwatch guckt, rechnen muss und Dinge ins Handy tippen muss. Das wĂ€re ja schon nervig und lĂ€stig, wie ich finde. Was ist also die Konsequenz, bzw. MEINE Konsequenz?

MEINE Konsequenzen sehen oft so aus (und jetzt kommt die Schauspielerin zum Einsatz!): ich ignoriere das Pfeifen, Brummen und die Alarme die mein Körper mich so spĂŒren lĂ€sst… Zittrigkeit, SchweiĂausbrĂŒche, trockener Mund, MĂŒdigkeit, Sehstörungen, Konzentrationsstörungen usw, usw….
Gedanken wie „ich mach das eben noch fertig“ oder „ach komm, das schaffe ich eben noch“ halten mich davon ab, mich um mich selbst zu kĂŒmmern wenn ich alleine bin.
Wenn ich in Gesellschaft bin ist es noch fataler. Ich mache gute Mine zum bösen Spiel. Gedanken wie „Ich halte es aus, der Blutzucker wird schon wieder steigen!“ oder „der Loop muss das jetzt mal alleine regeln“ schwirren mir durch den Kopf, wĂ€hrend ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Ich weiĂ ja nun wirklich genau, dass ich besser handeln sollte… aber nö! Ich will nicht auffallen, ich will mich nicht erklĂ€ren, ich will keine Aufmerksamkeit erzeugen, ich will einfach nicht, dass der blöde Typ mit der blöden 1 jetzt die 1. Geige spielt. Da bin ich stur.

So unnachgiebig wie der Typ1 ist, so stur bin ich – nur, dass am Ende meistens der Typ gewinnt. Ich habe das Nachsehen, ob ich will oder nicht. Da kann ich noch so lange mit diesem Typen unterwegs sein, ich kenne ihn in- und auswendig… ich weiĂ genau, was passieren wird… und trotzdem versuche ich ihn immer und immer wieder zu ĂŒberlisten, ihn zu ignorieren und ihn nicht ernst zu nehmen.
Nutzt alles nichts. Die Schauspielerin in mir tĂ€uscht leider nur MEINE Umwelt… das aber zugegebenermaĂen oftmals sehr,sehr gut. Die anderen merken oft nicht, wie es mir geht, was ich im Hintergrund alles bedenken und beachten muss. Daher reagieren sie entsprechend völlig ĂŒberrascht, wenn ich dann in (seltenen) GesprĂ€chen zu diesem Thema mal versuche darzustellen, was das alles fĂŒr eine Belastung ist/sein kann. Dann wiederum fĂŒhlt man sich schlecht, weil man ja nur wieder jammert, und das GefĂŒhl hat, das GegenĂŒber versteht das nicht wirklich und kann es gar nicht so recht einordnen… Das aber kann man auch nicht wirklich erwarten, wie ich finde. Denn wer nicht betroffen ist, KANN es einfach nicht nachempfinden! Und jammern will man ja auch nicht.

WĂ€hrend ich die Hypos oder Hypers ĂŒberspiele, mich konzentriere nicht aufzufallen und die Konversationen aufrecht zu erhalten, versuche ich mehr oder weniger verzweifelt, die Blutzuckerlage möglichst unauffĂ€llig im Blick zu behalten, denn handeln will ich ja gerade nicht!
Aber WARUM? Warum tue ich das? Beziehungsweise, warum tue ich das, was nötig ist in solchen Momenten nicht? Denn eigentlich gehe ich mit dem Typ1 ganz offen um… ich habe EIGENTLICH keine Scham, in der Ăffentlichkeit damit umzugehen oder darĂŒber zu sprechen. Ich habe auch kein Akzeptanz-Problem. Ich habe meinen Frieden damit geschlossen, dass dieser Typ mit seiner 1 mich begleitet und kann es mir ohne ihn schon kaum noch vorstellen. Dennoch WILL ich manchmal einfach nicht!
Ich nehme mir dann einfach die Pause, die der Typ, der immer die 1. Geige spielen will, mir nicht und nie gönnt. Das tue ich, wohlwissend wie dumm und ggfs auch gefÀhrlich das ist.

So setze ich das Schauspiel weiter fort, rechne und kalkuliere im Hintergrund wĂ€hrend ich mit meiner Freundin abends in der Kneipe was Leckeres esse und trinke…
alles in der Hoffnung, gut zu rechnen und zu kalkulieren, hoffend, dass die GröĂe der bestellten Portion dem entspricht, was ich erwartet habe, der Blutzucker in seiner Range bleibt, damit ich auch noch sicher nach Hause komme…
….und der Typ mit der arroganten 1 einfach
mal die Klappe hÀlt!
Nachtrag: Noch am selben Tag der Veröffentlichung dieses Artikels, ich hatte einen furchtbaren Tag, was die Blutzuckerwerte angeht-ein wildes Auf und Ab mit stĂ€ndig zu niedrigen Werten (trotz anpassen des Algorithmus) bin ich zu einem Commedy-Abend verabredet. Anfahrt und RĂŒckfahrt mit dem Rad geplant, weil das Wetter ist schön. Klar ist, die Taschen sind voll mit Hypo-Helfern. Es passiert, was vorhersehbar war. Der arrogante T1D verlangt seinen Tribut … es kann ja wohl nicht sein, dass meine Aufmerksamkeit der BĂŒhne gilt, auf der ER nicht steht! đ Und ich?Ich tue es wieder… ich WILL NICHT auffallen, Will es NICHT ZUM THEMA machen, und esse allenfalls heimlich ein paar kleine GummibĂ€rchen. Halte meinen Blutzucker am absolut unteren Limit, Alarme aus, und lasse mir nichts anmerken. Die RĂŒckfahrt startet mit zu niedrigen Blutzuckerwerten, die sportliche Freundin tritt ordentlich in die Pedale und ich? Ich halte natĂŒrlich so gut ich kann mit. Erst als sich unsere Wege trennen, weil ich noch weiter fahren muss, nehme ich wieder Hypo-Helfer zu mir und radle langsam weiter. Ich hatte diesen Artikelim Kopf, und war dennoch nicht in der Lage, es anders zu handhaben!
đ„Žđ”âđ«đ€Żđ±Ich muss dringend an mir arbeiten!

Caro, Du sprichst mir aus der Seele. Allein die kurze Knisterei durch die TZ-Rolle in meiner Tasche klingt in meinen Ohren wie Donner. Bestimmt bemerkt es auch jede Person um mich herum. Ich will nicht auffallen. Meine Aufmerksamkeit ist blockiert. Da schalte ich sogar schon mal das Smartphone aus, nur damit kein Alarm ertönt. Der Loop hat die Basaalrate ja eh schon auf „null“ reduziert. …
Ja, aber ist das nicht furchtbar? Sollte doch so nicht sein! Warum fehlt (mir) das SelbstverstĂ€ndnis, fĂŒr mich einzustehen? Andere tun das mit allem SelbstverstĂ€ndnis der Welt, ohne darĂŒber nachzudenken…
Liebe Caro, da finde ich mich wieder. Ist mir vergangene Woche im Job passiert, erst noch die E-Mail vom Chef lesen, bevor gegengesteuert wurde und ich war ca 5-6 Minuten zu nichts fÀhig. Danke an die Kollegen, die mich mit Cola versorgt haben. Da habe ich dann freiwillig auf meine Laufverabredung verzichtet.