Loopen ist mehr als Technik

Verständlicherweise verbindet man zuerst technische Aspekte, wie das Compilieren der Apps, das Verbinden der CGM-Daten oder das Aufsetzen der eigenen Nightscout-Seite mit dem Loopen.

Das kann ich voll nachvollziehen, denn das war für mich am Anfang genauso.
Ich stand vor den ganzen Wahlmöglichkeiten und ich habe den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Die technischen Aspekte standen auch für mich im Vordergrund.

Vor allem fasziniert mich immer noch der Algorithmus der iOS-Loop-App. Jahrzehntelang bin ich oft verzweifelt, weil ich es nicht geschafft habe, das Wissen über meinen Diabetes richtig in die Tat umzusetzen.
Heute weiß ich, dass der Diabetes mehr als komplex ist.

Mithilfe der Berechnungen, die Loop alle 5 Minuten durchführt, schaffe ich es nun, überwiegend in meiner Range zwischen 70 und 180 mg/dl zu bleiben.

Was mich allerdings mittlerweile genauso fasziniert, ist, dass ich meinen Diabetes von einer ganz neuen Seite sehe. Mein Typ 1 wurde im September 1986 diagnostiziert, vor nunmehr 33 Jahren.

Seitdem habe ich viele Therapieformen und -umstellungen mitgemacht. Während meiner ICT habe ich nie verstanden, warum ich manchmal , zum Glück selten, nach einer Bolusgabe im Hypokoma landete und viele andere Male nicht.

Heute weiß ich, dass mein Basalratenbedarf täglich wechselt. In Nightscout sehe ich, dass meine Basalrate täglich anders ist. Während meiner ICT habe ich anfangs abends 42 IE Lantus gespritzt, dann bin ich übergegangen, morgens 22 IE und abends 20 IE zu spritzen. Jetzt verstehe ich auch, warum ich manchmal im Hypokoma gelandet bin. Wenn ich einen Tag erwischt hatte, an dem ich wenig Basalinsulin benötigte, hatte ich eine höhere Insulinsensitivität als üblich.Das zusätzliche Bolusinsulin hat mich dann schnell ins Koma geschossen.

Die Zusammenhänge waren mir damals nicht so klar, aber selbst wenn sie es gewesen wären, wäre es schwer gewesen, angemessen daruf zu reagieren.

Heute erledigt der Algorithmus die wesentlichen und wichtigen Basalratenänderungen. Natürlich trägt mein CGM ebenfalls enorm dazu bei.

Was ich mit dem Beispiel veranschaulichen möchte, ist die Wirkung, die die ständige Unsicherheit auf mich hatte. Ich fühlte mich öft unfähig, meinen Diabetes zu managen. Ich gab mir ständig die Schuld für die Entgleisungen.
Ich dachte immer: „Du bist doch nicht dumm, warum schaffst du es nicht, diese Entgleisungen in den Griff zu bekommen?“

Lange konnte ich mir diese Frage nicht beantworten. Heute sehe und verstehe ich die Zusammenhänge viel besser. Das Loopen gibt mir daher eine große Gelassenheit und Zufriedenheit mit meinem Diabetes.

Früher verharrte ich oft in einer Trotzhaltung mir gegenüber.
Heute brauche ich das nicht mehr, da ich durch die ganzen Einstellungsmöglichkeiten in Loop aktiv eingreifen kann. Es macht mir heute richtig Spaß, mich mit meinem Diabetes zu beschäftigen und die Einstellungen weiter zu optimieren.

Mir ist auch bewusst, dass ich mich nun mehr und besser mit meinem Diabetes beschäftige. Als ich vor einem Jahr mit dem Loopen anfing, dachte ich, dass ich das Management größtenteils an die App abgeben würde.

Heute weiß ich, dass das nicht der Fall ist. Ich manage meinen Diabtes nun wirklich selbstständig. Loop hilft mir dabei, aber derjenige, der meinen Diabetes letztenendes managt, bin ich.

Das habe ich mir immer seit meiner Diabetesdiagnose gewünscht, dass ich souverän mit meinem Diabetes umgehe. Daher freue ich mich auf neue Entwicklungen, die in der Diabetestherapie anstehen, die mir helfen, den Diabetes noch besser zu managen.

4 thoughts on “Loopen ist mehr als Technik

  1. Hallo Alen, danke für deine offen Worte zum Loop.Ich habe dazu mal eine Frage an dich: Du hast ja jetzt inzwischen Erfahrung mit dem Omnipod sowohl im Loop mit dem iPhone als auch mit Android APS.Könntest Du schon einen Vergleich der beiden Systeme mit Pro und Kontra anstellen?

    1. Hallo Klaus, eine gute Idee. Ich werde am Wochenende eine Pro- und Kontraliste erstellen. Danke für den Vorschlag 😇

  2. Lieber Alen,

    Ich bin dir für genau diese Überschrift unheimlich dankbar!

    Und ich würde noch weiter gehen: Diabetes ist mehr als Loop und mehr als Blutzucker.
    Natürlich macht die Technik gerade für die Typ-1-Diabetiker den Diabetes überhaupt erst handlebar. Und natürlich trifft meine vorangehende Feststellung auf den Typ-2-Diabetes in noch viel größerem Maße zu. Aber ich prognostiziere, dass wir in ca. 10-15 Jahren mehr Menschen mit Typ-2-Diabetes mit einem Loop ausstatten werden, als Typ-1-Diabetiker.

    Zusammenfassend denke ich, dass es noch viel, viel mehr benötigt, als die Kenntnis der Technik, spätestens dann, wenn eine der zahlreichen Komplikationen, die man genau durch die Technik vermeiden will, auftritt:
    sei es nun eine zusätzliche Autoimmunerkrankung, eine zunehmende Resistenz, Folgeerkrankungen an Augen, Füßen oder dem Herz-Kreislaufsystem.

    In diesen Fällen hilft dann auch oft nicht mehr das Internet oder die Schwarmintelligenz weiter, so wie bei der Technik, sondern fundiertes Wissen über die Stoffwechselerkrankung hinaus.
    Deshalb plädiere ich dafür – trotz aller verständlicher Euphorie und zum Teil erstaunlichem Wissen um eure Bedürfnisse – nicht nur den Blutzucker zu betrachten. Denn diese Betrachtungsweise führt zu kurz und diesen Fehler haben Ärzte über viele Jahre hin gemacht und machen ihn leider noch.

    Das soll bitte, bitte (!) nicht als eine Kritik an deiner sehr schönen, klugen und sachlichen Stellungnahme verstanden werden, sondern nur als (m)eine persönliche und wohlwollende Ergänzung aus der Sicht eines interessierten Nicht-Diabetikers!

    1. Lieber Jochen,

      vielen Dank für deinen Kommentar:-) Ich fasse ihn keineswegs als Kritik auf. Ich sehe deinen Kommentar als Ergänzung.

      Liebe Grüße

      Alen

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